05 | 02 | 2024
Elisabeth Schatz

Haarige Geschichten: Vom Arbeitskampf der Tschikweiber …

Was haben Haare im Tabak verloren? Warum kommt eine französische Maschine in die Steiermark und wer sind diese widerspenstigen "Fürstenfelder Tschikweiber"? Von starken Frauen und einer blühenden Tabakwarenproduktion erfahren wir im Museum Pfeilburg Fürstenfeld.

An der Festungsstadt Fürstenfeld und einem Besuch des Museums in der Pfeilburg führt für uns kein Weg vorbei: Zunächst, weil das Objekt unserer Begierde – die Zigarettenstopfmaschine – mit 600 Kilogramm nahezu unbeweglich ist. Außerdem zieht uns die reizvoll dunkel gefärbte Arkadenfassade aus der Renaissance sofort in ihren Bann und ins Gebäude. Darüber hinaus zählt das Museum Pfeilburg zu den attraktivsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und es lässt sofort unsere Herzen höher schlagen.

Vor allem jedoch ist es die charmante Hausherrin Gaby Jedlicka, auf die wir uns an diesem Drehtag ganz besonders freuen. Sie leitet das Museum Pfeilburg Fürstenfeld voller Hingabe und spricht mit strahlendem Lächeln in unsere Kamera. Ihre Begeisterung springt über, wenn sie in ihrem – mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichneten – Museum von der wechselhaften Fürstenfelder Stadt- und Zeitgeschichte erzählt. Sollten Sie gerade im Thermen- und Vulkanland unterwegs sein, legen wir Ihnen eine Führung mit der Museumschefin durchs "Kruzitürkenmuseum" und das "Tabakmuseum" wärmstens ans Herz!  

Die Geschichte zur Zigarettenstopfmaschine "La Neva"  können Sie hier nachlesen und dabei weitere spannende Einblicke in die Geschichte der Fürstenfelder Tabakproduktion gewinnen.

Seit mehr als 300 Jahren sind die Geschicke der Stadt sehr eng mit dem Tabakanbau und der Rauchkultur verbunden. Bis 2005 war hier in der Pfeilburg die erste Tabakfabrik Österreichs untergebracht.

Gaby Jedlicka erzählt uns auch von einer Redensart, die besagt, dass das Selbstbewusstsein der hier ansässigen Damen auf die Fürstenfelder "Tschikweiber" zurückzuführen sei: Der Arbeitsalltag dieser Fabrikarbeiterinnen war hart, lange und schlecht bezahlt. Um die Produktion zu steigern, wurde im 19. Jahrhundert die französische Zigarettenstopfmaschine "La Neva" angekauft. Die erste haarige Geschichte, denn die Maschine ersetzte viele Arbeiterinnen. Später errichtete man für die verbliebenen Frauen nahe der Pfeilburg Wohnungen. Zum Leidwesen der Männer erkannten diese rasch, dass der Lohn für ein eigenständiges Leben als unverheiratete Frau reichte. Also wurde der Lohn der Arbeiterinnen gerade so viel gekürzt, dass eine Heirat für die Frauen wieder "attraktiv" – sprich: überlebensnotwendig – wurde. Die Frauen kämpften für ihre Rechte und zettelten einen Streik an: Sie mischten in der Fabrik die Haare, die ihnen morgens ausgegangen waren, unter den Tabak, sodass die Rauchwaren un(b)rauchbar wurden ...  

Die mittelalterliche Pfeilburg selbst ist eines der ältesten Gebäude der Stadt und Teil der gut erhaltenen Befestigungsanlage aus dem 16. Jahrhundert. Nachdem das Gebäude vielerlei Funktionen erfüllt hat – Schule, Kaserne, Militärspital, Armenhaus, Tabakfabrik –, sah man im Jahr 1975 keine Verwendung mehr für die Burg und ein Abriss stand zur Debatte. Der Museumsverein Fürstenfeld setzte sich jedoch unermüdlich für den Erhalt der Anlage ein und 20 Jahre später beauftragte die Stadtgemeinde schlussendlich die umfassende, millionenschwere Sanierung und Revitalisierung der Pfeilburg. Bis 1999 wurden rund 1,8 Millionen Euro in die denkmalgeschützte Bausubstanz investiert und 2005 hat man die Tabakfabrik endgültig geschlossen. Heute sind auf dem Areal ein Ärztezentrum und Wohnungen untergebracht, die wieder zur Belebung des Stadtkerns beitragen. Besuchen Sie im Sommer eine der Open-Air-Veranstaltungen, für die der reizvolle Pfeilburg-Hof genutzt wird. Hier ist außerdem der perfekte Ausgangspunkt für den Festungsweg Fürstenfeld: Er führt Sie auf einer Länge von 3,5 Kilometern rund um den mit imposanten Wehrmauern eingefassten Stadtkern von Fürstenfeld.

Sie sehen, ein Museumsausflug ist in vielerlei Hinsicht lohnenswert und sicherlich keine haarige Geschichte! Erste Einblicke ins Museum können Sie auch bequem von zu Hause aus bei einem virtuellen Rundgang auf der Museumswebseite erleben.

Foto: UMJ/B. Schönhart