27 | 02 | 2024
Elisabeth Schatz

Vom Wert der Dinge

Die einen Gegenstände wurden vor dem Container gerettet und landeten im "Garagenmuseum", aus dem mit viel Fleiß der heutige Erinnerungshof Hermann in St. Nikolai im Sausal erwuchs. Die anderen – Materialreste – wurden ebenso gerettet, upgecycelt und gelangten in Gestalt eines kunstvoll-rustikalen Handspiegels ins Museum im Kloepferhaus. Der wahre Wert der Dinge liegt im Auge der Betrachtenden und unsere Reise führt uns heute in die Südsteiermark – eine der wohl lukullischsten Grenzregionen Österreichs, wo wir gleich zwei "Universalmuseen en miniature" besuchen.

Wir haben für Sie eine Zeitreise unternommen, die schon vor Jahrhunderten ihren Ausgangspunkt nimmt: Im südsteirischen St. Nikolai im Sausal befindet sich der Erinnerungshof Hermann in wunderschöner Lage. Man sieht von hier aus sogar bis nach Kitzeck!

Mehr als 1.000 Exponate auf 600 m² Ausstellungsfläche warten hier darauf, entdeckt zu werden. Und es duftet schon herrlich nach frischem Brot! Das trifft sich gut, denn wir sind heute hier, um die Geschichte vom Brotbackofen zu hören, die Elfriede und Robert Hermann beim Projekt "Wer bist du: Steiermark?" eingereicht haben. Die "Objektgeschichte" lässt sich im Buch zur gleichnamigen Ausstellung nachlesen und den Film zu diesem Objekt kann man hier anschauen.

Elfriede und Robert Hermann brennen für ihre gewaltige Sammlung. Sie haben all die Geschichten rund um ihre Objekte bestimmt schon Tausende Male erzählt – und sie tun es immer noch mit vollem Elan. Begonnen hat alles vor rund einem halben Jahrhundert mit Walter Hermann, dem Opa väterlicherseits: Als Zimmermann war er viel unterwegs und hat von Dachböden so manch "altes Zeug" vor dem Entsorgen nach Hause gerettet. Das erste kleine Museum wurde damals in der Garage eingerichtet, und damit war auch schon der Grundstein für den Erinnerungshof gelegt: Glücklicherweise  hatten auch die "jungen Hermanns", Elfriede und Robert, nicht nur große Freude an alten Dingen, sondern auch den Enthusiasmus, das Werk von "Opa Hermann" weiterzuführen: Die beiden bauten das Museum, die nassen Räume, die morsche Holzkonstruktion von Grund auf neu.

Heute kann man hier ins Land- und Handwerksleben eintauchen, wie es vor hundert Jahren üblich war. Den liebevollen Beinamen "Klein-Stübing" oder "kleines Universalmuseum" trägt der Erinnerungshof ganz zu Recht: Neben einer Schulklasse sowie der voll bestückten Schusterwerkstatt und Zimmerei gibt es hier auch eine Fassbinderei, eine Brennerei und das "Zimmer vom Opa" zu entdecken. Im Lein- und Flachsmuseum – sogar Schafe und Ziegen gibt es hier – sieht man, wie früher Flachs verarbeitet wurde.

Verhackertkübel, Vorderlader, Gulden, Schilling, Kronen, alte Briefmarken, Grammophone, Radios – alles so, wie’s früher einmal war! Und der älteste Gegenstand, vermutet Robert Hermann, ist wohl ein rund 300 Jahre alter Reiseleuchter.

Alles ist hier feinsäuberlich nach Themenbereichen gefüllt – bis unters Dach. Jeder Winkel, jede Wand wird genutzt. Und wir staunen, welch liebevoll-gepflegte Ordnung hier herrscht, das ist wohl Kunststück und unendlich viel Arbeit zugleich!

Auch die Küche – der Raum, in dem sich früher alles abgespielt hat, vom Kochen und Kartenspielen bis zum Nähen und Zusammensitzen – lässt Besucher*innen in alten Erinnerungen schwelgen, erzählt uns Elfriede Hermann: "Mei schau, die Abwasch hat mei Oma a g’ habt, kannst di no erinnern? ... Und des san die Kochbücher! Nach den Rezepten hat die Mama die Mehlspeis g’macht …".

Die Rundgänge können auch zwei bis drei Stunden lang dauern. Menschen jeden Alters freuen sich, hier an Dinge und Tätigkeiten aus Omas Zeiten erinnert zu werden.

Elfriede Hermann verrät: "Unser Ziel ist es, dass die Leute wieder miteinander reden, dass sie zusammenkommen. In Zeiten von Handys und sozialen Medien ist das ganz besonders wichtig. Bei uns kann man die freie Natur genießen, sich gemeinsam zurückerinnern an die alten Zeiten – ob gut oder schlecht – es ist immer etwas Positives."

Alte Werte finden im Erinnerungshof Hermann ihren Platz in moderner Zeit! Und übrigens: Ganz in der Nähe des Erinnerungshofes gibt es auch verschiedene Möglichkeiten, Kulinarik zu genießen und den Durst zu stillen!

Foto: UMJ/B. Schönhart

Das Museum im Kloepferhaus befindet sich im Geburtshaus des Dichterarztes Hans Kloepfer, einem Chronisten seiner Zeit. Der Volkskundler und Heimatforscher setzte mit seinen Gedichten der weststeirischen Mundart ein Denkmal. Ein Raum im Museum bietet Besucher*innen Gelegenheit, sich mit seinem Werk und Wirken, aber auch mit seiner Nähe zum Nationalsozialismus auseinanderzusetzen: Hans Kloepfer war bekennender Nationalsozialist und Verfasser von Hitlergedichten.

Uns hat das Gewinnerobjekt von "Wer bist du: Steiermark?" – der Handspiegel des pfiffigen Knechts Toni – hierhergeführt. Die Geschichte zu diesem Stück können Sie hier nachlesen und der dazu passende Film ist bereits auf unserem YouTube-Kanal veröffentlicht.

Eibiswald war vor 100 Jahren ein florierender Industriestandort mit Braunkohle-Abbau, Stahlwerk und Glashütte. Lange schon sind die Werke stillgelegt und vom großen Stahlwerk ist nur noch ein Gebäude erhalten. Mit Krisen unterschiedlichster Art kennt man sich hier im Grenzland aus, die meisten Menschen hielten sich mit ihren Nebenerwerbsbauernhöfen, Weinbergen und Gemüsegärten über Wasser. Der Knecht Toni war dabei besonders einfallsreich und kreativ – Upcycling anno dazumal: Er sammelte altes Bruchglas und fertigte daraus Handspiegel, mit denen er die Umgebung versorgte und sich so ein kleines Zubrot verdiente.

Das Museum im Kloepferhaus zeigt auf zwei Ebenen mit über 1.000 Exponaten lokale Frühgeschichte, bäuerliches Leben und Arbeiten in der Südweststeiermark, Koralpenglas und Stahlproduktion. Die Glasmacher in den Hütten rund um die Koralpe, die es seit dem 16. Jahrhundert bis in die 1920er-Jahre gab, hinterließen Werkstücke, die uns noch heute staunen lassen, zum Beispiel kobaltblaue Kelche und Ferdinandsthaler Hochzeitsflaschen, sowie eine Reihe von einfachen Alltagsgegenständen. Prunkstücke des Museums sind eine "Rauchkuchl" und ein "Auszugstüberl", die hier wieder aufgebaut wurden.

Ganz dem Trend der Entschleunigung folgend, hat sich der Ort im Schilcherland, wo sich zahlreiche Weitwanderwege kreuzen, dem sanften Tourismus verschrieben. Schwammerlfans und Badefreaks werden auf der Soboth fündig, Bewegungshungrige in der Heiligengeistklamm und Kultursuchenden legen wir das Kulturhaus St. Ulrich im Greith wärmstens ans Herz – hier befindet sich das Zentrum der Peripherie!

Foto: UMJ/B. Schönhart