21 | 09 | 2023
Elisabeth Schatz

Von der Muttergöttin als Modell bis zum Model für den Blaudruck

Im Kameralicht stehen diesmal eine "Stillende Muttergöttin mit Wickelkind" aus dem Tempelmuseum Frauenberg in der Südweststeiermark und ein Druckmodel für den Blaudruck aus dem Heimatmuseum Ilz in der Oststeiermark.

Wir genießen die Anfahrt zu unserem ersten Drehort, der sich diesmal bei Leibnitz befindet: Durch die Südweststeiermark geht’s vorbei an Schloss Eybesfeld, vorbei an Schloss Seggau, dann eine kleine Straße auf den Frauenberg hinauf zum Tempelmuseum Frauenberg. Die Leiterin und Historikerin Ursula Pintz begrüßt uns mit ihrem Team Rebecca Vidonye und Gabriele Kleindienst. Frauenberg scheint also ganz in Frauenhand zu sein und sogar die (Wetter-)Göttinnen meinen es gut mit uns. Die Kompars*innen, namentlich die Familien Fleischhacker, Kainz, Kasper, Stiendl und Schwarzkogler, trudeln während der ersten Besprechungen zum Dreh ein – vielen Dank an alle!

Zum Thema passend finden die Dreharbeiten über die "Stillende Muttergöttin vom Frauenberg", wie unsere Statuette auch genannt wird, am "Kleinen Frauentag", dem 8. September – einem kirchlichen Festtag zu Mariä Geburt – statt. Hier im Wallfahrtsort wird er in "Dorf Frauenberg" mit einem gut besuchten Jahres- bzw. Krämermarkt begangen. Früher schon, in agrarischen Gesellschaften, waren alte "Frauenkraft-" und "Göttinnen-Tage" wie dieser wichtige Stichtage: Hausmittelkräuter, Blumen und Wurzeln sollten innerhalb der sogenannten "Frauen-Dreißigst" zwischen dem Großen und dem Kleinen Frauentag gepflückt werden.  

In der nahe gelegenen Kirche findet gerade ein Marien-Festgottesdienst statt. Während des Interviews mit Ursula Pintz läuten zum Leidwesen unseres Fotografen Thomas Caks immer wieder die Glocken …  

Im malerischen Freigelände und im römischen Kräutergarten werden außergewöhnliche Einblicke zu den Vorfahr*innen in der keltischen und römischen Epoche der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das denkmalgeschützte Museumsgebäude steht auf den Grundfesten eines römischen Tempels – dem ältesten freistehenden Mauerwerk der Steiermark. Das Museum befindet sich inmitten des einstigen Kultbezirks der Stadt Flavia Solva und in der Ausstellung werden Sehenswürdigkeiten zur Kult- und Kulturgeschichte des heiligen Berges gezeigt – archäologische Funde aus rund 70 Jahren Forschungsarbeit.

Dem Archäologen Bernhard Schrettle, der sich für den Dreh zu uns gesellt, gelang 2014 der Jahrhundertfund: Bei der Freilegung der Schlauchheizungsanlage eines spätantiken Wohnhauses aus dem 5. Jahrhundert entdeckte er einen verkeilten Stein in der Fundamentmauer, der sich als Statuette der "Stillenden Muttergöttin mit Wickelkind" herausstellte. Sie wies ihm den Weg zu weiteren 16 solcher Statuetten, die in einer Abfallgrube unter dem römischen Wohnhaus verscharrt lagen. Die bisherigen Grabungsarbeiten wären weitgehend beforscht und man plane bereits nächste Grabungen für 2024, lässt uns Bernhard Schrettle wissen – wo genau, soll an dieser Stelle aber nicht verraten werden.

Die kopflosen Votivstatuetten beweisen, dass am Frauenberg schon seit Jahrtausenden Muttergöttinen verehrt wurden, lange vor der ersten urkundlichen Nennung der Kirche im 12. Jahrhundert als "ecclesia Sanctae Mariae in monte". Wie in unterschiedlichen Kulturen üblich wurden diese Göttinnen auch hier als Fruchtbarkeit spendende Nothelferinnen verehrt und bei bevorstehenden Geburten oder zum Segen für den Nachwuchs angerufen. Den Namen der "Göttin vom Frauenberg" kennen wir heute nicht, aber ihre Eigenschaften sind uns allen wohlbekannt.  

Im Zuge der Christianisierung wurden den Muttergöttinnen die Köpfe abgeschlagen, um sie zu entweihen und die Bevölkerung so von heidnischen Kultpraktiken abzubringen.  

Der Göttinnen-Fund hat das Selbstverständnis des Tempelmuseums Frauenberg nachhaltig verändert – vom rein archäologischen Regionalmuseum hin zum Brennpunkt eines 6.500 Jahre alten Kult- und Kulturplatzes. "Frauenberg ist die Keimzelle der Geschichte der Region und besitzt als Ort ein identitätsstiftendes Moment", erklärt Ursula Pintz, "Geschichte soll hier erlebbar sein und der Ort ein offener, einladender." Deshalb bemühe man sich hier auch ganz besonders um die Kinder und schreibt die Zusammenarbeit mit umliegenden Schulen groß. "Das Tempelmuseum hütet das archäologische Erbe und macht es der Öffentlichkeit zugänglich, indem es eine Atmosphäre des Erinnerns, Erlebens und Reflektieren schafft", steht im Folder der "ArchaeoRegion Südwest-Steiermark" geschrieben. Auch unsere Gastgeberin Ursula Pintz weiß, wie wichtig es ist, Ressourcen zu bündeln und in Regionen zu denken. Das Tempelmuseum ist wichtiger Netzwerkpartner der 2019 als StLREG-Projekt gegründeten "ArchaeoRegion Südwest-Steiermark", die sich der Erforschung, dem Schutz und vor allem der Sichtbarmachung unseres gemeinsamen Erbes verschrieben hat (mehr unter ArchaeoRegion Südweststeiermark – Archäologische Entdeckertipps).

Fotos: UMJ/E. Schatz

 

Weiter geht’s auf unserer Tour Richtung Oststeiermark, ins Heimatmuseum Ilz, wo die Kamera die Geschichte(n) rund um einen Druckmodel für den Blaudruck in Szene setzt.  

Der idyllisch wirkende eingeschossige Bau versteckt sich hinter dem Rathaus und ist nur über eine enge Passage erreichbar, die wir passgenau durchqueren. Dort werden wir aber schon freudig von Obmann Johannes Dichtinger, dem Färbermeister Franz Peritsch, dem Heimatforscher Anton Ithaler und weiteren Mitgliedern des Historischen Vereins Ilz erwartet. Sie alle haben als ehrenamtliche Museums-Mitarbeiter*innen die große Herausforderung angenommen und die Ärmel hochgekrempelt, um das Museum zu sanieren und neu zu denken. Denn eigentlich ist das Heimatmuseum Ilz geschlossen und alle Zeichen stehen auf Um- und Aufbau (Lesen Sie hierzu den Museumsblog "30 Jahre und was nun?").

Nach einer Begehung des Museums entscheiden wir, die Dreharbeiten in den Hof und in den hinteren Teil des Museums – den sogenannten ‚Lokraum‘, der nicht saniert wird – zu verlegen.  

Alles dreht sich also um den erwähnten Blaudruckmodel Nr. 430. Begleitet wird er von einer Blaudrucktracht, die in diesem Fall nur zu Anschauungszwecken dient und einst für die arme Bevölkerung eine typische Arbeitsbekleidung war.

Johannes Dichtinger erzählt, dass Ilz historisch gesehen durch seine Lage ein wichtiger Knotenpunkt war, weshalb sich hier verschiedene Handwerke – unter ihnen auch der Blaudruck – ansiedelten.  

Der Flachsanbau florierte und in der Gegend rund um Ilz gab es viele Hauswebereien und Blaudruckereien. Sie alle mussten aber ihre Pforten schließen, als der Flachs billig importiert und industriell verarbeitet werden konnte. Das preiswerte Fabriksleinen machte den Flachsanbau obsolet. Knapp vor Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte auch die letzte oststeirische Druckerei den Betrieb eingestellt.  

Warum der Blaudruck als traditionelle Drucktechnik in der Oststeiermark ein spätes Revival feierte, erfahren wir von Färbermeister Franz Peritsch. Der ausgebildete Textilingenieur stammt aus einer Ilzer Färberdynastie und führt heute die Geschäfte des Familienunternehmens in Form einer Wäscherei im Stammhaus Ilz Nr. 45 fort. In diesem Haus ist seit 1702 das Färberhandwerk ansässig, das 1894 von Franz Hofer aus Südtirol, einem Verwandten von Andreas Hofer, gekauft wurde. Zusätzlich zur Färberei wurde hier eine Putzerei und eine Wäscherei eingerichtet. 1934 übernahm der Vorfahre Färbermeister Franz Peritsch (geb. 1910 in St. Ruprecht an der Raab) den Betrieb von seiner Großmutter.

Zu Kriegszeiten sorgte der findige Färber Peritsch aus der Not heraus für eine Wiederbelebung des Blaudrucks. Dieses Vorhaben gestaltete sich aber gar nicht so einfach, denn die Beschaffung der Rohstoffe war damals schwieriger als heute. Die Druckformen selbst mussten ihren Weg erst wieder vom Volkskundemuseum am Paulustor in Graz zurück in die Färberei von Peritsch finden. Franz Hofer hatte sie wegen ihres Seltenheitswerts und der Betriebseinstellung bereits an das Museum verkauft. Die Rückgewinnung erfolgte leihweise und war deshalb notwendig, weil auch die Formenstecher zur Erzeugung neuer Model schon sehr selten waren. Das Vorhaben gelang und es wurde wieder "blau gemacht" in Ilz – auch weil das weitergegebene Wissen um das Handwerk noch nicht verloren war.  

Im Jahr 2018 wurde der Blaudruck von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt. In Österreich gibt es mit der Blaudruckerei Wagner in Linz und Koo Joseph Blaudruck in Steinberg-Dörfl nur noch zwei Blaudruckereien.

Apropos Umbauphase: Sogar jetzt ist das Museum programmtechnisch umtriebig! Nachlesen, wie es dazu kam und was sich genau tut, können Sie im Blog-Beitrag "Wenn ein Stein ins Wasser fällt, dann ...".  Zum vierten Mal jedenfalls hat die Serie "Schatzkiste Ilz" am Sonntag, dem 17. September im "Lokraum" ihre Deckel geöffnet. Es standen Objekte bzw. Objektgeschichte(n) zu Brechel, Farbreihe, Hainzelbank, Futterrübenmühle, Schmiedezange, Versehlampe und Woazriffel auf dem Programm. Wie immer findet die Veranstaltung unter dem Motto "Geschichte erleben im Museum" statt – mit Kinderprogramm, Museumstratsch, Special Guests und Vorführungen zu den Objekten. Wer verhindert war, hat am 15. Oktober die nächste Chance, dabei zu sein! Am Ende soll ein Buch mit den Objekten und der Geschichte des Museums entstehen.  

Wir freuen uns schon darauf und gratulieren zum Engagement, die Objekte und Objektgeschichte(n) aus der Region für nachkommende Generationen zu erhalten und zugänglich zu machen!

Fotos: UMJ/E. Schatz