19 | 01 | 2024
Elisabeth Schatz

Was für eine Zeitreise: vom Tertiär ins Jahr 1923!

Unsere Reise in die Obersteiermark führt uns diesmal von Graz ins Museum Kapfenberg zu fossilen Pflanzenabdrücken aus Parschlug und weiter ins Stadtmuseum Bruck an der Mur zu einer Fahne des Republikanischen Schutzbundes. Rund 60 Kilometer legen wir an diesem Tag zurück – ein Wimpernschlag im Vergleich zu den 60 Jahrmillionen, die unsere Zeitreise vom Tertiär ins Jahr 1923 umfasst …

In der Mur-Mürz-Furche liegen zwei Museen, die man gesehen haben sollte! Hier werden unter anderem Objekte bewahrt und ausgestellt, die von der geologischen Entwicklung der Steiermark und einschneidenden zeithistorischen Ereignissen erzählen.

Beginnen wir mit unserem Drehtag im Stadtmuseum Bruck an der Mur, das im Kulturhaus der Stadt beheimatet ist. Dort treffen wir Irmengard Kainz, die seit Jahrzehnten das Frauenreferat der Stadt Bruck leitet und sich als Leiterin des Stadtmuseums engagierte. Die Museumsleitung hat sie in der Zwischenzeit an Harald Fladischer übergeben.  

Irmengard Kainz hat das Objekt, um das es heute geht – die Fahne "REPUBLIKANISCHER SCHUTZBUND BRUCK A/M 1923"  – beim Projekt "Wer bist du: Steiermark?" eingereicht – und es wurde ausgewählt. Diese Fahne ist ein Symbol für die schrecklichen Folgen, die eintreten können, wenn Menschen die Fähigkeit verlieren, miteinander respektvoll zu kommunizieren: 1923 wurde der Brucker Schutzbund gegründet. Die Spannungen zwischen den vorherrschenden Parteien in Österreich – der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der Christlichsozialen Partei – wurden in den darauffolgenden Jahren so groß, dass es in der noch jungen demokratischen Republik 1934 zu fürchterlichen bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam – besonders heftig waren diese bewaffneten Auseinandersetzungen in Bruck an der Mur.

"Deshalb haben wir beschlossen, dass wir uns im Museum um Demokratie und Menschenrechte kümmern. Denn Demokratie ist eine schwierige Aufgabe, die Kommunikationsbereitschaft und Respekt bedarf." Irmengard Kainz selbst ist der festen Überzeugung, dass einer der wichtigsten Bildungsaufträge des Museums darin besteht, das Miteinander-Reden zu lernen und zu üben. Wie ernst es ihr damit ist, lässt sich auch am engagierten Programm sowie an den bestehenden (universitären und privatwirtschaftlichen) Kooperationen ablesen. Schüler*innen gehen im Museum ein und aus und präsentieren auch ihre vorwissenschaftlichen Arbeiten in den Museumsräumen. Das Museum selbst verfügt über eine hervorragend bestückte Mediathek (in der demnächst auch unser Filmbeitrag abrufbar sein wird). Die Museumsarbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Vergangenem und Zukünftigem, bewahrt vergangenes Wissen und zeichnet gegenwärtiges auf. Neue Erkenntnisse werden aufbereitet und präsentiert, sodass sich auch die Ausstellung laufend verändert und dynamisch weiterentwickelt.

Das Museum beschäftigt sich mit der Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt Bruck an der Mur – im Bewusstsein, dass Geschichte immer neu geschrieben wird und sich jede*r Brucker*in täglich aufs Neue daran beteiligen kann. Irmengard Kainz rief auch die Online-Sendung "Geschichte trifft Gegenwart" ins Leben, die von der Überzeugung getragen wird, dass Menschen durchaus fähig sind, aus der Geschichte zu lernen.  

Doch wie nahm hier im Brucker Museum alles seinen Anfang? Als man im April 1888 beim Räumen im Rathaus in einer Abstellkammer eine schwarze Metalltruhe mit verschiedenen historischen Objekten fand, kam erstmals der Gedanke an ein eigenes Ortsmuseum auf. Engagierte Ehrenamtliche trieben daraufhin im Verein zur Förderung des Stadtmuseums Bruck an der Mur die Entwicklung voran. Wie der weitere Weg zum heutigen Museum verlief, lässt sich auf der gut aufbereiteten Webseite des Hauses nachlesen.

Foto: UMJ/B. Schönhart

 

Unser Tour entlang der Mur-Mürz-Furche führt uns weiter in die Stahlstadt Kapfenberg. Das Museum Kapfenberg befindet sich im KulturZentrum zwischen dem Schlossberg und der Mürz am Koloman-Wallisch-Platz, dem Hauptplatz der drittgrößten Stadt der Steiermark. Wir sind früh dran und obwohl uns noch ein bisschen Zeit bliebe für einen Spaziergang auf die Burg Oberkapfenberg, machen wir uns gleich schnurstracks auf den Weg zu Sabine Krenn ins Museum. Dieses entstand ursprünglich aus dem Höhlenmuseum mit archäologischen Funden aus der Rettenwandhöhle, die heute noch besichtigt werden kann. 1989 wurde das Haus in ein Stadtmuseum umgewandelt und 2021 umfassend saniert. Die Museumsleiterin Sabine Krenn erzählt uns von den beiden inhaltlichen Schwerpunkten: die Stadtgeschichte von Kapfenberg und die Entwicklung der Stahlindustrie durch die ortsansässige Firma Böhler (heute auch im Eigentum der voestalpine AG). Aufgrund der Nähe zum steirischen Erzberg und der verfügbaren Wasserkraft entstanden hier bereits ab dem 15. Jahrhundert mehrere Hammerwerke. Ab 1857 war die Stadt an die Südbahn angeschlossen, was Gütertransporte direkt nach Triest möglich machte.

Fossile Pflanzenabdrücke aus Parschlug, einer 5 Kilometer von Kapfenberg entfernt liegenden Gemeinde, führen uns heute hierher. Diese Fossilien sind die ältesten Exponate des Museums und man kann sie in dieser besonders schönen Form nur an wenigen Orten finden. Ihre nächsten Verwandten befinden sich nicht in Europa, sondern im subtropisch-tropischen Klimagürtel. Und es gibt viele weitere interessante Fakten über die Fundstücke zu berichten! Der Botaniker Franz Unger, einer jener Wissenschaftler, die diese Pflanzenabdrücke erforschten, schrieb 1848, "dass bisher kein Ort auf der Erde bekannt ist, der eine so reiche Flora besäße als Parschlug".  

In Parschlug wurde einst (glücklicherweise!) Kohlenbergbau betrieben, und vor allem in diesem Zusammenhang kamen die Fossilien ans Tageslicht. Auch wenn der Betrieb hier bereits 1959 stillgelegt wurde, ist er immer noch allgegenwärtig – am Wappen, in Wohnbauten oder in Straßennamen wie z. B. Edelmannweg, Barbarastraße, Am Flöz, Alaungrubenweg ...  

Doch zurück zu Franz Unger: Der am Grazer Joanneum tätige Wissenschaftler entdeckte nach und nach 140 verschiedene ausgestorbene Pflanzenarten aus dem Tertiär, einer Zeitspanne, die rund 60 Millionen Jahre zurückliegt. Seiner Annahme nach war ein Binnensee der Nährboden seiner Funde. Ein Kuriosum ist, dass diese Pflanzenarten im Schlamm eines Stromes, der sich in diesen Binnensee ergoss, mitgeführt wurden – sie gelangten also zufällig nach Parschlug. Eine Auswahl dieser fossilen Flora wurde 1873 sogar bei der Weltausstellung in Wien gezeigt!

Wem noch etwas Zeit bleibt, der sollte direkt gegenüber am anderen Mürzufer an der Grazer Straße 12 das Schmidt-Haus, ein sehr schönes Jugendstilhaus, beachten. Auch die Stadtpfarrkirche St. Oswald lässt sich zu Fuß in Richtung Bahnhof spazierend gut besuchen.

Ebenfalls ans Herz legen möchten wir Ihnen einen Besuch im Schloss Kapfenberg, das eine reiche Geschichte und eine beeindruckende Architektur aufweist. Es bietet auch einen schönen Blick auf die Stadt und die umliegende Landschaft. Ein weiteres Highlight der Umgebung ist der Grüne See, der für sein kristallklares Wasser und seine malerische Umgebung bekannt ist. Hier können Sie spazieren gehen, picknicken oder einfach die Natur genießen. Naturliebhaber*innen empfehlen wir auch einen Ausflug in den Naturpark Mürzer Oberland, der mit Wanderwegen und atemberaubenden Ausblicken aufwartet. Auch ein weiteres Objekt unseres Projektes verweist auf diese Gegend – die Geschichte über das wehrhafte Steinadlerweibchen aus dem Naturmuseum Neuberg finden Sie hier.

Foto: UMJ/B. Schönhart